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The Role of Translation in Decolonial Work (German | English)

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Durch meine Schulzeit, in der ich in drei verschiedenen Sprachen (Englisch, Deutsch und ein bisschen Malaiisch) unterrichtet wurde, erkannte ich schon früh, dass Geschichte so unterschiedlich und widersprüchlich ist wie die Sprachen, in denen sie unterrichtet wurde. Das veranlasste mich dazu im Laufe meines Studiums zu Übungszwecken Abschnitte postkolonialer Literatur zu lesen und selbst zu übersetzen. Dabei entwickelte ich ein starkes Bewusstsein (wenn nicht sogar eine gewisse Sensibilisierung) sowohl für die Position als auch für die Verantwortung mit der ein Übersetzer betraut ist. Als Übersetzer kann man sich der bestehenden Machtverhältnisse zwischen Sprachen und Kulturen bewusst sein und dabei sich selbst und den Prozess, an dem man beteiligt ist, in Frage stellen. Der vorliegende Beitrag stellt nicht die Behauptung auf, dass Übersetzungen in Bezug auf die Frage der Dekolonisierung die Standardantwort sind, sondern dass sie vielmehr einen behutsamen Weg eröffnen – einen Weg, bei dem Übersetzer und Übersetzungen aus dem globalen Süden mit einbezogen werden. 

Das Übersetzen bringt oft die semantische Ungleichwertigkeit zum Ausdruck: Beispielsweise dürfte es sehr schwierig sein, eine Erzählung, die nur neutrale Pronomen verwendet, in eine Sprache mit geschlechtsspezifischen Begriffen zu übersetzen. Gleichzeitig eignet sich die Übersetzung aber auch als Objektiv für die Frage, warum einige dieser Übersetzungen unmöglich sind und um zu untersuchen, wie man es in der Vergangenheit mit Erfolg umgesetzt hat. Ich trete nicht unbedingt für eine pauschale Praxis des ” Übersetzens sämtlicher Texte für den Globalen Süden” ein. Das wäre ein reduktionistischer und orientalistischer Ansatz. Obwohl einige Länder des Globalen Südens von Imperialismus und weißer Vorherrschaft betroffen sind, geschieht dies zu unterschiedlichen Ausmaßen, durch die jeweiligen Imperien und mit jeweils anderen Folgen. Einige Texte müssen tatsächlich in die Sprache des Kolonisators übersetzt werden. So sind beispielsweise einige der interessantesten Arbeiten, die ich zum deutschen und britischen Kolonialismus gefunden habe, in keiner der oben genannten Sprachen verfasst und müssen übersetzt werden. 

Ein aktuelles Beispiel für das progressive Potenzial von Übersetzungen sehe ich in der englischen Übersetzung von Ben Miller eines Aufsatzes von Fabian Wolff. Hierbei handelte es sich um einen bedeutenden Text, der sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch gelesen werden musste; hier zeigte sich das volle Potenzial einer Übersetzung, da beide Sprachen das Thema Macht auf unterschiedliche, aber entscheidende Weise aufgriffen. Auch in der akademischen und universitären Ausbildung können Übersetzer eine wichtige Rolle spielen. In vielen (gut gemeinten) Diskursen wird über eine bessere Zugänglichkeit von Artikeln und Aufsätzen gesprochen, die durch die Reduzierung von Fachterminologie und die Verwendung ‘einfacher’ Wörter erreicht werden soll.

Meines Erachtens ist dies eine herablassende Betrachtungsweise – dies gilt sowohl für den klassistischen Verweis auf “einfache” Wörter als auch für die Annahme, dass Personen, die kein Englisch sprechen, nicht in der Lage sind, technische oder komplizierte Termini zu verwenden. Das mag im Englischen nicht der Fall sein. Aber weshalb sollte komplizierte Terminologie auf das Englische beschränkt sein, wenn andere Sprachen durchaus in der Lage sind, sich sprachlich weiterzuentwickeln? Eine Zusammenarbeit mit Übersetzern aus nicht englischsprachigen Ländern könnte bei der Verbreitung von Wissen weitaus hilfreicher sein als die ‘Verwendung einfacher Wörter’ . 

Selbstverständlich ist nichts davon einfach – die Probleme innerhalb der akademischen Gemeinschaft finden sich auch in der Übersetzungsbranche wieder. Es ist notwendig, sich selbst zu hinterfragen und die Bedeutung von Übersetzungen und Übersetzern in kolonialen und postkolonialen Kontexten zu reflektieren. Der ‘standardmäßige’ Status des Englischen, die voreingenommenen Auffassungen über das Aussehen und den Klang eines ‘englischen Muttersprachlers’ sowie das Festhalten an der Anstellung von ‘Muttersprachlern’ in Sprachen des globalen Nordens, nicht aber von anderen.

Wir müssen uns bei der Beschäftigung mit Übersetzungen als Teil der dekolonialen Arbeit diese Probleme stets vor Augen halten. Leider scheint das Vereinigte Königreich diese Probleme nicht in Angriff nehmen oder auch nur ansprechen zu wollen. Stattdessen kürzen die Regierung und die Universitäten die Mittel für die Sprach- und Übersetzungsinstitute. Gerade diese Fachbereiche sind es, in denen diese notwendige Arbeit stattfinden kann – das Hinterfragen der Rolle von Übersetzungen und Übersetzern, sowie die Auseinandersetzung mit entsprechenden Prozessen auf der ganzen Welt. 

Die Erforschung der Hybridität unterschiedlicher Kulturen und Sprachen ist wichtig, eine Tätigkeit die Übersetzern vertraut ist. Ein übersetztes Buch ist eine verdrängte Schrift, die sich sowohl mit sich selbst auseinandersetzen als auch einen bereits bestehenden Konflikt verdeutlichen will. Es mag in der Vergangenheit dazu benutzt worden sein, eine fremde und unterdrückende Geisteshaltung aufzuzwingen – es kann allerdings auch als Objektiv mit progressivem Potenzial wiederentdeckt werden.

Auf diese Weise wirken Übersetzer als Befreiungshelfer, indem sie Texte von westlichen (in Ermangelung eines besseren Begriffs) Missverständnissen und Fehlinterpretationen befreien. Nicht zuletzt bedarf auch das koloniale Archiv einiger Übersetzungen – vielleicht können die eindeutig überlegenen ‘englischen Muttersprachler’ aus der Übersetzungsbranche mit der Arbeit daran beginnen. Aber möglicherweise können wir uns auch intensiver mit Übersetzern aus dem globalen Süden austauschen, einen transnationalen Dialog schaffen und so über reduktionistische Vorstellungen von ‘Zugänglichkeit’ hinauswachsen.

English Version

 Having gone through school in three different languages (English, German, and a bit of Malay), I realised early on that histories were as different and discordant as the languages they were taught in. However, this led to me reading and amateurly translating sections of postcolonial literature throughout my higher education for practice, and becoming aware (if not hyper-aware) of both the position and the responsibility of a translator. A translator has the potential to act as a mediator aware of existing power relations between languages and cultures, questioning themselves and the process they are engaging in. This essay does not claim that translation is the default answer to the question of decolonisation, but rather that it is a cautious way forward – one which engages with translators and translations from the Global South. 

Translation can often be a demonstrator of semantic inequivalence: for instance, it would be difficult to translate a story using only neutral pronouns to gendered languages. However, it also serves as a lens to question why some of these translations are impossible, and to study how it has been done successfully in the past. I am not necessarily advocating a blanket practice of “translate everything for the Global South”. That would be a reductionist and Orientalist approach. Whilst several countries in the Global South are affected by imperialism and white supremacy, it is to different degrees, by different empires, and with different effects. Indeed, some texts need to be translated to the language of the coloniser. For instance, some of the best work I have seen on German and British colonialism have not been in the above two languages and require translations. 

A recent example of the progressive potential of translation I can offer, is Ben Miller’s English translation of Fabian Wolff’s essay. This was a remarkable piece of writing that needed to be read in both German and English; this was translation at its best potential, with both languages addressing power in differing yet essential ways. In academia and university education too, a translator can play a vital role. There is a lot of (well-meaning) discourse about improving accessibility to articles and essays by cutting down on technical terminology and using “easy” words. I think this is patronising – both the classist reference to “easy” words, but also the assumption that non-English speakers are incapable of using technical or complicated terminology. Perhaps not in English. But why should complicated terminology be confined to English when other languages are perfectly capable of linguistic evolution? Engaging with translators from non-English speaking countries would assist the dissemination of knowledge far more than “using easier words”. 

None of this is easy of course – the problems within academia are also present in the translation industry. We have to question ourselves, and consider the role that translation and translators play in the colonial and postcolonial contexts. The “default” status of English, the preconceived idea of what a “native English speaker” must look and sound like, as well as the insistence of employing “native speakers” in Global North languages but not others. These are all problems we need to be cautious about when engaging with translation as part of decolonial work. However, the United Kingdom does not seem to wish to tackle these issues or even address them, with the government and universities cutting funding to linguistic and translation departments. These departments are where this vital work can take place – questioning the role of translation and translator, as well as engaging with these processes across the world. 

It is important to explore the hybridity between different cultures and languages, a practice which translators are familiar with. A translated book is a displaced piece of writing, aiming to confront itself as well as mediate an existing struggle. It may perhaps once have been used to impose an alien and oppressive presence – however, it can also be reclaimed as a lens with progressive potential. Translators can also serve as liberators, detaching a text from Western (for lack of a better term) misconceptions and misreadings. The colonial archive too, is in need of translation – perhaps the clearly superior “native English speakers” in the translation industry can start to work on these. Or perhaps we can further engage with translators from the Global South, creating transnational dialogue and go beyond reductionist notions of ‘accessibility.’

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Neha Shaji

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